Fahrzeugreinigung – umstrittene Schadenposition
Gelegentlich könnte man den Eindruck gewinnen, dass dem Bemühen der Versicherungswirtschaft, einzelne Rechnungspositionen zu kürzen, gegenübersteht das Bemühen, neue Schadenspositionen durchzusetzen.
Diese Betrachtungsweise ist jedoch oberflächlich und verkennt, dass es eben nicht darum geht, Schadenspositionen zu streichen oder neue Schadenspositionen zu finden, sondern es geht im Ergebnis darum, einen unfallbedingt eingetretenen Schaden vollumfänglich zu erfassen.
Seit geraumer Zeit bereits wird mit unterschiedlichen Argumenten die Erforderlichkeit der Reinigung des Fahrzeuges im Rahmen der Unfallschadeninstandsetzung bestritten.
Reinigungsaufwand
Klassischerweise fallen nachfolgende Reinigungsarbeiten im Rahmen einer Unfallschadeninstandsetzung an
- Splitterentfernung infolge Glasbruchs
- Innenraumreinigung (unfallbedingte Verschmutzung von Polstern etc.)
- Reinigung des Fahrzeuges, um eine korrekte Schadenfeststellung zu ermöglichen
- Reinigung des Fahrzeuges nach der Lackierung (Entfernung von Lackstaub, Kleberesten etc.)
Möglicherweise sind auch noch andere Konstellationen denkbar, in denen das Fahrzeug unfallbedingt gereinigt werden muss, die hier nicht gesondert aufgeführt sind.
Abgrenzung zu kostenfreien Serviceleistungen
In der Branche ist es heute üblich, dass ein Fahrzeug zumindest eine kostenfreie Außenwäsche erhält, wenn es im Rahmen eines Servicetermins abgegeben wird. Diese Serviceleistung des Kfz-Betriebes ist jedoch nicht mit einer unfallbedingten Fahrzeugreinigung zu vergleichen. Die kostenfreie Serviceleistung der Fahrzeugreinigung dient der Akquisition von Kunden. Die Serviceleistung wird durch den Kunden selbst nicht nur in Auftrag gegeben, sondern auch vollumfänglich durch eigene Mittel bezahlt.
In diesem Zusammenhang wird quasi als Rabatt die kostenlose Fahrzeugreinigung am Markt angeboten. Die kostenlose Fahrzeugreinigung ist am ehesten mit der unentgeltlichen Probefahrt vergleichbar.
Handelt es sich jedoch um eine unfallbedingt erforderliche Reinigung, kommt für die Kosten in der Regel ein Dritter auf. Der Geschädigte selbst hat keine Veranlassung, zu Gunsten des Schädigers objektiv erforderliche Kosten nicht zu realisieren.
Rechtliche Einordnung
Die Fahrzeugreinigung ist in der Regel Bestandteil des Werkvertrages, der zwischen dem Kfz-Betrieb und dem Kunden abgeschlossen wird. Der Kunde hat Anspruch auf Erstattung sämtlicher Positionen auf der Rechnung, wenn diese Positionen aus seiner Sicht schadenbedingt erforderlich sind. Die Tatsache, dass eine Position in der Rechnung aufgeführt ist, ist Indiz dafür, dass diese Leistung erforderlich war, es sei denn, der Kunde hätte erkennen müssen, dass es sich um Arbeitsaufwand handelt, der objektiv nicht erforderlich war.
In jedem Fall ist daher bei unfallbedingt durchgeführter Fahrzeugreinigung zu empfehlen, diese Position in der Rechnung gesondert aufzuführen, genauso wie bei der Schadenprognose des Kfz-Sachverständigen dieser im Gutachten die Erforderlichkeit der Fahrzeugreinigung aufzuführen hat.
Auch bei Bewertung der Schadenposition Reinigungskosten ist § 249 BGB maßgebend, der davon spricht, dass die erforderlichen Kosten der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes zu erstatten sind. Völlig unstrittig dürfte es sein, dass die Entfernung der Glassplitter nach Glasbruch aus dem Innenraum objektiv erforderlich ist, um den früheren Zustand wiederherzustellen. Selbst wenn nach Herstellervorgaben davon ausgegangen werden kann, dass eine Scheibe bruchfrei entfernt werden kann, aber es dennoch im Rahmen des Reparaturprozesses zu einem Glasbruch kommt, sind die Kosten der Splitterentfernung auszugleichen. Eine Ausnahme wäre nur dann gegeben, wenn der Betrieb das Ausglasen erkennbar fehlerhaft durchgeführt hat und es nur infolgedessen zu einem Glasbruch kommt.
Auch die Reinigung des Innenraums und das Entfernen unfallbedingter Beschädigungen ist unstreitig zur Wiederherstellung des früheren Zustandes erforderlich.
Lediglich bei der Entfernung von Feinstäuben nach der Lackierung wird teilweise die Auffassung vertreten, dass dieser Aufwand entweder in den Gemeinkosten enthalten sei oder in den Lackieraufwendungen. Schadenersatzrechtlich kann ohne Weiteres darauf hingewiesen werden, dass sich aus der konkreten Rechnungsposition ergibt, dass die Reinigung nicht in den Gemeinkosten enthalten ist und auch nicht in den Lackierzeiten enthalten ist.
Hier muss jedoch unter Umständen geprüft werden, ob die Lackierzeiten nach AZT/Schwacke oder nach Herstellervorgaben möglicherweise Zeiteinheiten für die Endreinigung beinhalten. Falls dies der Fall ist, kann selbstredend nicht der Reinigungsaufwand doppelt abgerechnet werden.
Aus Sicht des Geschädigten bleibt dennoch entscheidend, dass die Reinigung durchgeführt wurde und als Position in der Rechnung bzw. bereits als Position im Schadengutachten enthalten war.
Auch die Rechtsprechung bestätigt die Schadenposition Fahrzeugreinigung letztlich immer vor dem Hintergrund der Erforderlichkeit gemäß § 249 BGB.
- LG Lüneburg, Urteil vom 07.04.2015, AZ: 9 S 104/14
- AG Hagen, Urteil vom 18.12.2015, AZ: 19 C 404/15
- AG Hattingen, Urteil vom 19.11.2015, AZ: 6 C 46/15
- AG Berlin-Mitte, Urteil vom 23.09.2015, AZ: 18 C 3143/15
- AG Altötting, Urteil vom 19.06.2015, AZ: 1 C 558/14
- AG Bochum, Urteil vom 09.12.2014, AZ: 68 C 305/14
- AG Schwäbisch Gmünd, Urteil vom 17.03.2014, AZ: 4 C 890/13
- AG Neresheim, Urteil vom 29.10.2013, AZ: 1 C 137/13
- AG Erkelenz, Urteil vom 07.06.2013, AZ: 14 C 120/13
- AG Oldenburg in Holstein, Urteil vom 06.02.2013, AZ: 25 C 288/12
- AG Landshut, Urteil vom 27.03.2012, AZ: 10 C 2203/11
- AG Aschaffenburg, Urteil vom 09.11. 2010, AZ: 112 C 1004/10
- AG Nürnberg, Urteil vom 22.06.2009, AZ: 22 C 39/09
Eine Information des BVSK e.V.