Verjährungshemmung bei Sachmängelansprüchen erfolgt mangelbezogen
BGH, Urteil vom 20.01.2016, AZ: VIII ZR 77/15
Hintergrund
Der Fall des BGH betrifft zwar einen Kaufvertrag über eine Ledercouch, wobei allerdings im Hinblick auf die Ausführungen zur Verjährungshemmung die Grundsätze dieses BGH-Urteils auch auf die Geltendmachung bzw. die Anzeige von Sachmängeln bei Kraftfahrzeugen übertragbar sind.
Die Klägerin des Verfahrens begehrte die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über eine Ledercouch, die ihr von der Beklagten am 17.12.2011 zum Preis von 2.850,00 € geliefert worden war.
Mit Anwaltsschreiben vom 29.11.2012 forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung zur Beseitigung vermeintlicher Mängel (gelbliche Verfärbungen, Beulen, Falten) auf.
Nach fruchtlosem Fristablauf erklärte die Klägerin am 21.12.2012 den Rücktritt vom Kaufvertrag. Im amtsgerichtlichen Rechtsstreit (AG Saarlouis, Urteil vom 21.02.2014, AZ: 27 C 100/13) beauftragte das AG Saarlouis einen Sachverständigen, der zwar die von der Klägerin gerügten Mängel nicht bestätigen konnte, jedoch eine übermäßige Empfindlichkeit des Leders gegenüber einer Beanspruchung mit nassen Medien (fehlende „Reibechtheit“) feststellte.
Mit Schriftsatz vom 15.10.2014 forderte die Klägerin die Beklagte auch wegen dieses Mangels zur Nacherfüllung auf und stützte ihr Rückabwicklungsbegehren im weiteren Prozess auch auf diesen von ihr zunächst nicht monierten Mangel.
Hiergegen erhob die Beklagte die Einrede der Verjährung.
Sowohl das AG Saarlouis als auch das LG Saarbrücken (Urteil vom 20.03.2015, AZ: 5 S 60/14) wiesen die Klage der Klägerin wegen eingetretener Verjährung bezüglich des im Amtsgerichtsverfahren festgestellten Sachmangels (fehlende Reibechtheit) ab. Der Mangel der fehlenden Reibechtheit sei – so die Vorinstanzen – auch nicht sinngemäß bei der ursprünglichen Sachmängelrüge mit umfasst gewesen. Zum einen sei dieser Mangel noch gar nicht bekannt gewesen, zum anderen handelt es sich bei den zunächst gerügten Mängeln um ein völlig anderes Schadenbild als bei der fehlenden Reibechtheit.
Aussage
Der BGH wies unter Hinweis auf die zutreffende Begründung der Vorinstanzen die Revision der Klägerin zurück. Er führt hierzu wörtlich aus:
„Der Klägerin steht ein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages nicht zu. Der einzig noch in Betracht kommende Mangel – die fehlende Reibechtheit des Leders – rechtfertigt den am 21. Dezember 2012 erklärten Rücktritt nicht, weil die Klägerin der Beklagten insoweit zuvor keine Gelegenheit zur Nacherfüllung gegeben hat. Der im Laufe des Rechtsstreits wegen dieses Mangels erneut erklärte Rücktritt ist gemäß § 218 BGB unwirksam, weil der hierauf bezogene Nacherfüllungsanspruch zu diesem Zeitpunkt bereits verjährt war und sich die Beklagte auf Verjährung berufen hat.
1. Der am 21. Dezember 2012 erklärte Rücktritt ist unwirksam, weil bezüglich des allein vorliegenden Mangels der fehlenden Reibechtheit die Aufforderung zur Nacherfüllung erst nach Erklärung des Rücktritts erfolgt ist.
Das Recht des Käufers, wegen Mängeln der Kaufsache nach § 437 Nr. 2, §§ 440, 323 BGB vom Vertrag zurückzutreten, setzt nach § 323 Abs. 1 BGB voraus, dass der Käufer dem Verkäufer zuvor gemäß § 439 Abs. 1 BGB Gelegenheit zur Nacherfüllung gegeben hat. Das Nacherfüllungsverlangen der Klägerin vom 29. November 2012 bezog sich lediglich auf die von ihr ursprünglich gerügten – nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts indes nicht vorhandenen – Mängel, nicht aber auf die erst im Laufe des Rechtsstreits festgestellte fehlende Reibechtheit.
Entgegen der von der Revision unter Verweis auf Schwarze (Das Recht der Leistungsstörungen, 2008, § 19 Rn. 25; Staudinger/Schwarze, BGB, Neubearb. 2015, § 323 Rn. B 83) und Dauner-Lieb (Festschrift für Canaris, 2007, Band 1, S. 143, 155 ff.) vertretenen Auffassung genügt es nicht, dass der Gläubiger überhaupt wegen eines Mangels Nacherfüllung begehrt und die dem Schuldner insoweit gesetzte Frist abgelaufen ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats berechtigt dies den Gläubiger (Käufer) gerade nicht, den Rücktritt nunmehr auf bisher nicht gerügte Mängel zu stützen, zu deren Beseitigung er den Schuldner (Verkäufer) noch nicht gemäß § 439 BGB aufgefordert hat. Vielmehr ist für jeden Mangel grundsätzlich eine eigene Nacherfüllungsaufforderung notwendig (Senatsurteile vom 15. Juni 2011 – VIII ZR 139/09, NJW 2011, 3708 Rn. 7; vom 29. Juni 2011 – VIII ZR 202/10, NJW 2011, 2872 Rn. 17; vgl. ferner Senatsurteil vom 23. Januar 2013 – VIII ZR 140/12, NJW 2013, 1523 Rn. 21).
Da die Klägerin bezüglich der fehlenden Reibechtheit erst mit Schreiben vom 15. Oktober 2014 Nacherfüllung verlangt hat, konnte dieser Mangel den lange zuvor – am 21. Dezember 2012 – erklärten Rücktritt nicht rechtfertigen.
2. Auch der weitere Rücktritt, den die Klägerin stillschweigend dadurch erklärt hat, dass sie ihre auf Rückabwicklung gestützte Klage im Verlauf des Prozesses auch auf den Mangel der fehlenden Reibechtheit gestützt hat, ist unwirksam.
a) Allerdings hat die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 15. Oktober 2014 auch wegen der fehlenden Reibechtheit unter Fristsetzung vergeblich zur Nachbesserung aufgefordert. Zu diesem Zeitpunkt war die zweijährige Verjährungsfrist für den Nacherfüllungsanspruch (vgl. § 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB) jedoch bereits abgelaufen. Denn der Kaufgegenstand ist am 17. Dezember 2011 abgeliefert worden, so dass der Nacherfüllungsanspruch mit Ablauf des 17. Dezember 2013 verjährt war. Da die Klägerin sich auf die Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs berufen hat, war der erst nach Verjährungseintritt erklärte Rücktritt mithin gemäß § 218 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
b) Entgegen der Auffassung der Revision ist die Verjährung des auf die Beseitigung des Mangels fehlender Reibechtheit zielenden Nacherfüllungsanspruchs nicht durch die Erhebung der ursprünglichen, am 21. Januar 2013 eingereichten Klage gehemmt worden.
aa) Die Erhebung einer Klage hemmt die Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB nur für Ansprüche in der Gestalt und in dem Umfang, wie sie mit der Klage geltend gemacht werden (st. Rspr.; vgl. Senatsurteil vom 29. April 2015 – VIII ZR 180/14, NJW 2015, 2106 Rn. 17 mwN, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Maßgebend ist damit der den prozessualen Leistungsanspruch bildende Streitgegenstand, der bestimmt wird durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger begehrte Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt, aus dem die begehrte Rechtsfolge hergeleitet wird (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO; vgl. nur Senatsurteil vom 29. April 2015 – VIII ZR 180/14, aaO mwN). Die vorliegende Klage ist aber auf Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe der Kaufsache gerichtet und hat deshalb – offensichtlich – nicht den Anspruch auf Nacherfüllung wegen der fehlenden Reibechtheit zum Streitgegenstand. Dieser ist vielmehr lediglich als Vorfrage für die Wirksamkeit des Rücktritts von Bedeutung.
bb) Die Regelung des § 213 BGB führt zu keiner anderen Beurteilung der Verjährung. Zwar erstreckt diese Bestimmung eine Hemmung der Verjährung auf Ansprüche, die aus demselben Grund wahlweise neben dem Anspruch oder an seiner Stelle gegeben sind. Hiervon werden die in § 437 BGB aufgeführten Nacherfüllungs- und Gewährleistungsrechte jedoch nur insoweit erfasst, als sie auf demselben Mangel beruhen (vgl. Senatsurteil vom 29. April 2015 – VIII ZR 180/14, aaO Rn. 25).
Hieran fehlt es vorliegend. Denn die Klägerin hat die begehrte Rückzahlung des Kaufpreises bei Erhebung der Klage nur auf die von ihr zunächst behaupteten Mängel (Verfärbungen, Beulen und Faltenbildungen) gestützt, so dass dadurch nur die Verjährung der sich aus diesen Mängeln wahlweise ergebenden Ansprüche gehemmt worden ist, nicht aber Nacherfüllungs- und Gewährleistungsrechte wegen der erstmals mit Schreiben vom 15. Oktober 2014 gerügten fehlenden Reibechtheit. Es bleibt somit dabei, dass die Verjährung des auf Nacherfüllung wegen fehlender Reibechtheit gerichteten Anspruchs der Klägerin mit Ablauf des 17. Dezember 2013 eingetreten ist. Dass die Klägerin die vorliegende Klage zu einem späteren Zeitpunkt im Jahr 2014 zusätzlich auch auf diesen Mangel gestützt hat, hat an der bereits eingetretenen Verjährung des diesbezüglichen Nachbesserungsanspruchs nichts mehr ändern können.
cc) Ohne Erfolg beruft sich die Revision zur Frage der Verjährung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Haftung wegen fehlerhafter Beratung bei Kapitalanlagen, derzufolge der Streitgegenstand einer Schadensersatzklage sämtliche einer Anlageentscheidung zugrunde liegenden Prospekt- beziehungsweise Beratungsfehler umfasst und die Klage daher die Verjährung insgesamt hemmt (vgl. BGH, Urteile vom 20. August 2015 – III ZR 373/14, WM 2015, 1807 Rn. 20; vom 16. Juli 2015 – III ZR 239/14, juris Rn. 15; vom 22. Oktober 2013 – XI ZR 42/12, BGHZ 198, 294 Rn. 15 ff.; BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2014 – XI ZB 12/12, BGHZ 203, 1 Rn. 145; jeweils mwN).
Diese Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, dass die einer Anlageentscheidung vorausgegangene Beratung bei natürlicher Betrachtungsweise einen einheitlichen Lebensvorgang darstellt, der nicht in einzelne Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzungen, die der Anleger der Bank vorwirft, aufgespalten werden kann. Hieraus lässt sich – entgegen der Auffassung der Revision – für den vorliegenden Fall nichts herleiten. Insbesondere stellen unterschiedliche Mängel einer Kaufsache keinen einheitlichen Lebensvorgang dar und sind deshalb mehrere Streitgegenstände gegeben, wenn der Verkäufer – wie hier die Klägerin – zunächst wegen eines Mangels den Rücktritt erklärt und später auch wegen eines anderen Mangels Rückabwicklung des Kaufvertrages begehrt. Im Übrigen verkennt die Revision, dass es hier – mit Rücksicht auf die Regelung des § 218 BGB – entscheidend auf die Verjährung des Anspruchs auf Nacherfüllung wegen des Mangels der fehlenden Reibechtheit ankommt. Dieser ist durch die vorliegende Rückabwicklungsklage – wie oben unter II 2 b aa und bb ausgeführt – nicht gehemmt worden.“
Praxis
Bereits der Leitsatz des BGH-Urteils spricht für sich:
„Die in § 213 BGB angeordnete Erstreckung einer Hemmung der Verjährung auf Ansprüche, die aus demselben Grund wahlweise neben dem Anspruch oder an seiner Stelle gegeben sind, erfasst die in § 437 BGB aufgeführten Nacherfüllungs- und Gewährleistungsrechte nur insoweit, als sie auf demselben Mangel beruhen (Bestätigung und Fortführung des Senatsurteils vom 29. April 2015, VIII ZR 180/14, NJW 2015, 2106 Rn. 25, BGHZ 205, 151).(Rn.20)“
Dieses BGH-Urteil zeigt wieder einmal deutlich, dass es risikobehaftet ist, die Mängel nur allgemein zu bezeichnen. Jeder einzelne Mangel sollte konkret angegeben werden.
Dies hätte zwar auch den Eintritt einer Verjährung in diesem Fall des BGH zur Folge gehabt. Oftmals ist allerdings zu bemerken, dass eine allgemein gefasste Mängelrüge einen späteren konkreten Mangel nicht erfasst.